Hofporträt Familie Baier

Wie der Vater, so die Tochter

Die Nachfolge auf dem Hof Baier ist gesichert – und bereitet dennoch Sorgen

Wer in Ilsfeld-Abstetterhof Vater Markus Baier und Tochter Hanna kennenlernt, der kann nicht übersehen, dass der heimische Hof mit Milchvieh und Mastbullen für die beiden der feste Lebensmittelpunkt ist. Ein echter Glücksfall, dass damit die Hofnachfolge gesichert ist. Gleichzeitig plagt Vater Markus aber die Sorge um eine ungewisse Zukunft für seine Tochter in der Landwirtschaft. 

Berufswunsch: Landwirtin

Kalb „Radieschen“ läuft am Halfter hinter der Landwirtstochter her wie ein Hündchen. Vorsichtig und doch neugierig erkundet es seine Umwelt. Nur zurück in den Stall will es nach der kurzen Runde über den Hof nicht so gerne. Kein Wunder, denn es ist andere Spaziergänge gewöhnt: „Neulich waren die beiden einen halben Tag verschwunden“, berichtet Markus Baier lachend. „Ihr läuft auch jedes Kälbchen gleich nach.“ Ein Ausflug mit einem der weiß-braun gefleckten Jungtiere gehört für seine 15-jährige Tochter ebenso zum Alltag, wie das Füttern der Mastbullen oder die Begeisterung für große Maschinen. „Ich bekomme keinen Hund, daher muss das Kälbchen herhalten“, erklärt sie. Ein echtes Landkind mit Leib und Seele.


Das erklärt auch Hannas Berufswunsch: Landwirtin will sie werden, an der Landwirtschaftlichen Schule in Ludwigsburg und auf Lehrbetrieben ihren Beruf von Grund auf lernen. Den praktischen Teil der Ausbildung könnte Hanna auch zu Hause machen. „Will ich aber nicht“, sagt sie bestimmt. Sie möchte Neues kennenlernen und diese Ideen für den heimischen Hof nutzen. Insbesondere die tierischen Bewohner sollen noch mehr werden: Ziegen, Schweine, Enten und Alpakas wünscht sie sich. Ein ganzer Stall voll Hühner ist erst vor kurzem auf dem Hof eingezogen. Hühnerhaus und Auslauf waren das Corona-Projekt von den beiden Töchtern und Freunden.

Herausforderungen im Stall und auf dem Acker

Zentraler Punkt des Hofes ist jedoch der Kuhstall. Rund 35 Milchkühe und etwa doppelt so viele Mastbullen und weibliche Nachzucht stehen hier. Gleichzeitig ist der Stall auch „das größte Problem“, erklärt Markus Baier. Denn das Gebäude ist 50 Jahre alt, die damals übliche Anbindehaltung für die Milchkühe heute überholt. Gemolken wird auf der einen Seite des Stalls mit einer Absauganlage, welche die Milch direkt in den Tank befördert. Auf der anderen Seite wird die Milch noch in eine Kanne gepumpt und muss von Hand in den Tank umgefüllt werden. Wenn Tochter Hanna den Hof übernehmen will, führt kein Weg an einem modernen Neubau vorbei.



Zusätzlich zu den Tieren bewirtschaftet Markus Baier 75 Hektar Fläche, knapp 30 davon sind Grünland. Fast der ganze Betrieb liegt im Wasserschutzgebiet. Für Markus Baier bedeutet das, dass er in Sachen Pflanzenschutz und Düngung stark eingeschränkt ist, wobei er auf einige Pflanzenschutzmittel bereits freiwillig ganz verzichtet. Im Frühjahr muss er Bodenproben nehmen. Diese werden auf ihren Nährstoffgehalt untersucht. Davon ist abhängig, wieviel in der laufenden Saison gedüngt werden darf. Teilweise liegen seine Flächen in der Nähe von Wohnsiedlungen. Glücklicherweise liefert der 46-jährige die Gülle, also Kot und Urin seiner Tiere, an eine Biogasanlage und düngt anschließend mit dem Substrat, das bereits die Prozesse in der Biogasanlage durchlaufen hat und daher deutlich weniger riecht. Das sorgt für ein besseres Miteinander mit den Anwohnern. Auf seinen Äckern baut er Mais, Zuckerrüben, Raps, Wintergerste, Weizen und Winterroggen an. Letztere werden in der Oettinger Mühle in Ilsfeld zu Backmehl verarbeitet und müssen von entsprechend hochwertiger Qualität sein. Das alles bedeutet viel Arbeit für Markus Baier und seine Familie. Drei Generationen packen mittlerweile auf dem Hof mit an, fahren bei Bedarf Schlepper oder füttern die Rinder. Der Landwirt weiß genau: „Ohne die Hilfe der Eltern, der Ehefrau und der Kinder würde man in der Landwirtschaft alt aussehen.“ Die 18-jährige Tochter Laura hat ihr berufliches Ziel außerhalb der Hofarbeit. Sie ist aber bei Bedarf ebenso zur Stelle wie weitere Familienmitglieder, und auch Freunde packen im Notfall mit an.

Schlepper und Kühe gibt es bei Familie Baier nicht nur draußen: Den Eingangsbereich der Wohnung ziert eine Fußmatte eines Landmaschinenherstellers, das Porträt einer Kuh blickt dem Betrachter im Wohnzimmer entgegen, Kuh-Bettwäsche und Schnappschüsse vom Hof-Alltag dekorieren Hannas Zimmer. Auf keinen Fall zu übersehen ist die Sammelleidenschaft von Markus Baier: Mehr als 1.000 Traktor-Modelle verteilen sich in zahlreichen Vitrinen im Flur und im Wohnzimmer.



Seine Begeisterung für große Maschinen zeigt sich auch in seiner Tätigkeit für den Maschinenring, dessen stellvertretender Vorsitzender er ist. Zudem fährt Markus Baier seit er 18 Jahre alt ist neben seiner Arbeit auf dem heimischen Hof während der Zuckerrübenernte große Maschinen. Früher den Rübenroder, inzwischen die „Maus“.  Dabei handelt es sich um einen selbstfahrenden Reinigungslader, der Zuckerrüben am Feldrand aufnimmt, reinigt und über Förderbänder auf Transportwagen lädt. Diese imposanten Maschinen haben auch Tochter Hanna nachhaltig beeindruckt. Bereits in der dritten Klasse wollte sie die Nachfolgerin ihres Vaters werden und schrieb in ihren Steckbrief als Berufswunsch „Chef und Maus-Fahrerin“. 

Für Markus Baier ist der Einsatz bei der Zuckerrübenernte ein Hobby. Aber er weiß auch, dass so mancher Landwirt diese Einsätze braucht, um über die Runden zu kommen. Andere haben den anstrengenden Beruf aufgegeben. Etwa 80 % seiner Kollegen aus der Meisterklasse gehen heute anderen Beschäftigungen mit einem geregelten Einkommen und festen Arbeitszeiten nach. In der Region rund um Heilbronn und Weinsberg haben sich viele starke Industrieunternehmen angesiedelt. Unter den verbliebenen Landwirten stellt der Weinbau den stärksten Anteil. Rinderhalter sind in den vergangenen Jahren immer weniger geworden, erzählt Markus Baier. Im Durchschnitt hätten die Betriebe im Kreis Heilbronn 38 Milchkühe. Eine vergleichsweise kleine Zahl, denn im Durchschnitt hielten Milchviehbetriebe in Baden-Württemberg 2019 fast 100 Milchkühe.



Diese Entwicklung ist auch der Grund, warum er dem Berufswunsch seiner Tochter nicht nur positiv gegenüber steht: „Auf der einen Seite freue ich mich, auf der anderen Seite sag‘ ich, such‘ dir was anderes“, sagt Markus Baier und erklärt: „Man weiß in der Landwirtschaft nicht was kommt, das ist das Problem.“ Auf die Frage, was bei einer Hofübernahme durch Tochter Hanna seine größte Befürchtung ist, antwortet er jedoch mit einem Augenzwinkern und einem Lächeln: „Dann muss ich wie mein Vater bis ans Lebensende auf dem Hof mitarbeiten.“

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