Der Duft frischer Tannen in der Weihnachtszeit wird in zahlreichen Liedern und Gedichten besungen und gewürdigt. Rainer Kübler hat diesen Duft nicht nur im Dezember in der Nase. Denn der Landwirt hegt und pflegt auf 6,5 Hektar das ganze Jahr über Nadelbäume, die im Advent für Vorfreude aufs Weihnachtsfest sorgen.
In der Woche vor dem ersten Advent geht es geschäftig zu in den verkehrsberuhigten Bereichen der Schwäbisch Haller Altstadt. Die Buden für den Weihnachtsmarkt werden aufgebaut und geschmückt, Passanten bummeln gemütlich zwischen den Geschäften oder erledigen zielstrebig ihre Weihnachtseinkäufe. Mittendrin ein ungewöhnliches Bild: Ein großer Schlepper mit beladenem Anhänger fährt vorsichtig zwischen den Auslagen der Geschäfte durch die engen Gassen. Landwirt Rainer Kübler liefert Weihnachtsbäume für die Händler direkt in die Haller Altstadt.
Mit seinem großen Gefährt bringt er gut 100 frische Tannenbäume auf einmal von seinem Hof in Oberrot-Konhalden. Halt macht er am Marktplatz, in der Gelbinger Gasse und am Milchmarkt, um allen Käufern möglichst kurze Wege zu bieten. Die Ladenbesitzer stehen diesmal selbst als Kunden in der Schlange: Ein, zwei oder auch sechs Bäume werden auf einmal gekauft. „Die Händler freuen sich richtig, dass ein bisschen Grün in die Stadt kommt“, erzählt der Landwirt zufrieden, während sein mit Nordmanntannen beladener Rückewagen, der sonst für den Transport von Baumstämmen dient, immer leerer und leerer wird.
Wenn mit dem Winter in vielen Bereichen der Landwirtschaft eine eher ruhige Zeit beginnt, geht es bei Rainer Kübler mit der Arbeit erst richtig los: „Vom Stress her ist die Weihnachtszeit für uns anstrengender als das Silieren im Sommer“, berichtet er. „Es klemmt am Personal“, denn es sind nicht viele zu finden, die gerne bei Wind und Wetter zum Arbeiten in den Wald wollen. Froh und dankbar ist Kübler, dass sein Landwirtskollege Andreas Sailer ihn beim Verkauf unterstützt, wenn es die Arbeit auf seinem eigenen Hof zulässt.
Zum landwirtschaftlichen Betrieb von Rainer Kübler gehört mehr Wald als Wiesen und Äcker. „Wald ist unser Hauptgeschäft neben der Milch“, erzählt er. Seine 150 Milchkühe muss der Landwirt jeden Tag versorgen, egal ob am Wochenende, an einem Feiertag oder während des Weihnachtsbaumgeschäfts. Zum Glück übernehmen für ihn zwei Melkroboter das zeitintensive Melken und die Kühe können selbst entscheiden, wann sie gemolken werden wollen.
Rainer Kübler verkauft seine Weihnachtsbäume und Tannenreisig aus Oberrot nicht nur in Schwäbisch Hall. Er beliefert auch Hofläden und Gärtnereien in der Region, hat im Advent einen Stand für private Käufer in Künzelsau. Doch die Bäume, die dort verkauft werden, stehen aktuell noch im Wald und werden erst in den nächsten Tagen und Wochen nach Bedarf „geschlagen“, wie das Fällen von Weihnachtsbäumen genannt wird. Er ist sich bewusst, dass seine Bäume etwas mehr kosten als Tannen aus dem Großhandel. „Aber die Leute kommen im nächsten Jahr wieder, weil meine Weihnachtsbäume länger halten.“
Als Tipp für Christbaumkäufer erklärt der Landwirt, dass frische grüne Nadeln und eine helle Schnittstelle am Stamm für einen Baum sprechen, der erst vor kurzem geschlagen wurde. Klar ist für Rainer Kübler: „Wenn der Weihnachtsbaum aus der Region kommt, ist er immer frischer als von woanders her.“ Generell empfiehlt er, am Stamm eine dünne Scheibe abzuschneiden, bevor der Baum in den Ständer gestellt wird. So kann er mehr Wasser ziehen.
Neben Nordmanntannen hat der Weihnachtsbaum-Experte Sorten wie Blaufichte und Nobilistanne im Angebot. Auch für spezielle Wünsche hat Rainer Kübler immer einen passenden Baum parat: Große Christbäume für Firmenzentralen oder Kirchen haben nicht selten eine Höhe von sechs Metern und einen Durchmesser von drei Metern. „Das ist eine richtige Schinderei“, erzählt er. Daher werden Bäume in dieser Größe auch immer persönlich ausgeliefert.
Der Verkauf von Weihnachtsbäumen bringt für den Landwirt immer wieder Anekdoten mit sich. Denn besondere Kunden bleiben ihm im Gedächtnis. Insbesondere an eine Kundin erinnert sich Rainer Kübler auch noch Jahre später mit einem Schmunzeln: „Sie hat mir erzählt, dass sie den Baum von meinem Hof im Flugzeug mit nach Australien nehmen wird. Das vergesse ich nicht.“